Wenn einige Filmfans gemeinsam einen Film drehen und nicht nur vor der Kamera, sondern auch dahinter so ziemlich jede in Frage kommende Rolle übernehmen, kommt im schlimmsten Fall ein talentfreier Amateurfilm dabei heraus.
Im besten Fall entsteht aber etwas wie THE EDITOR: eine wilde Reise durch 40 Jahre Filmgeschichte, die sich vor allem im Giallo verankert und vor irren Einfällen, etlichen Referenzen und Detailverliebtheit nur so strotzt.
Wovon handelt THE EDITOR?
Ray Ciso war einst ein begnadeter Cutter/Editor in der Filmbranche, doch dann verlor er bei einem Arbeitsunfall mehrere Finger und muss nun Holzfingern bei schäbigen B-Produktionen arbeiten.
Als am Set eine Reihe brutaler Morde geschehen und auch den Opfern die Finger abgetrennt werden, gerät Ray in Verdacht, der Killer zu sein, doch während die Ermittlungen andauern, geht das Sterben weiter.
Adam Brooks, der den Editor spielt, war auch im echten Leben für den Schnitt von THE EDITOR verantwortlich, außerdem für Drehbuch, Kamera, Produktion und Effekte. Ähnlich vielschichtig ist Kollege Matthew Kennedy unterwegs, der einen der Ermittler mimt und auch Offscreen jeden erdenklichen Job ausfüllte.
Auf dem Bildschirm sind außerdem bekanntere Namen wie Udo Kier (SUSPIRIA), Laurence R. Harvey (THE HUMAN CENTIPEDE 2 + 3) und Paz de la Huerta (NURSE).
Mängel sind Teil des Konzepts
OK, die Rollen der beiden Herren sind eher klein und de la Huerta besticht erneut mit der Mimik eines Stahlträgers, das aber so konsequent, dass es zu einem Film, der sich selbst so gar nicht wichtig nimmt und offensichtlich bewusst Schnittfehler einbaut, ein wahres Fest ist.
Außerdem zeigt sie lasziven Körpereinsatz, ist damit aber nicht die einzige. Der Film ist voll mit prickelnden Sexszenen oder auch einfach hier und da einem nackten Arsch, der durch Bild huscht.
Man bedenke: in der Geschichte befinden wir uns in einer Zeit, wo Kino bereit war etwas zu zeigen und zu wagen und man noch heute darüber spekuliert, ob Donald Sutherland und Julie Christie in WENN DIE GONDELN TRAUER TRAGEN wirklich Sex hatten.
Damals war das Wort Politically Correctness auch noch nicht geboren und so pfeift THE EDITOR darauf es jedem recht zu machen, ist mal blutig, mal Mindfuck, mal lustig.
THE EDITOR pfeift auf deine Dünnhäutigkeit
Vor allem die humorige Komponente kommt erst im Laufe des Films zur Geltung, ist dann aber nicht mehr zu übersehen. Mal darf man als Kenner nur schmunzeln, wenn insbesondere Giallo–Großwerke zitiert werden, mal zeigt er sich seiner selbst bewusst (z.B. als Ray die sogenannten Aktwechselmarken entdeckt, die jüngere Zuschauer vielleicht ebenso übersehen wie Gags zu VHS-Tapes) und mal gibt es Kalauer im Stile von SCARY MOVIE.
Dass gleich drei Drehbuchautoren an THE EDITOR gearbeitet haben, führte wohl dazu, dass der Film zuweilen nicht wie aus einem Guss wirkt und ein Riesenbudget gab es sicher auch nicht und trotzdem funktioniert das Teil prächtig, denn man weiß als Zuschauer nie genau, wann der Streifen cheesy und trashy sein WILL und wann es einfach nicht besser ging.
Klar ist hingegen, dass der Film zwar einerseits auf den Spuren moderner Gialli wie AMER, DER TOD WEINT ROTE TRÄNEN oder BERBERIAN SOUND STUDIO wandelt, aber nicht deren Ästhetik mitbringt, sondern sich betont als B-Film gibt.
Fazit zu THE EDITOR
Wenn du Giallo für einen spanischen Hartkäse hältst, brauchst du dir nicht die Mühe machen THE EDITOR zu sehen. Jeder mit einem bisschen Filmverstand und einem Herz für schrägen Humor, sollte sich diese liebevolle Perle aber ansehen.
Hier kannst du dir THE EDITOR ansehen