Dass man tief im 21. Jahrhundert den Horrorfilm nicht mehr neu erfinden kann, sollte jedem klar sein, Filme wie IN A VIOLENT NATURE beweisen aber, dass man sehr vertraute Themen, ja sogar Klischees, aus einer Perspektive darbieten kann, auf die jahrzehntelang niemand kam.
Warum du vieles schon kennst und was IN A VIOLENT NATURE anders macht, erfährst du hier.
Wovon handelt IN A VIOLENT NATURE?
Als eine Gruppe von Jugendlichen in einem alten Gebäude in den Wäldern Kanadas ein Medaillon finden, steckt einer von ihnen das Schmuckstück ein. Keiner von ihnen ahnt zu diesem Zeitpunkt, dass darunter begraben der hünenhafte Johnny lag, der sich nun aus seinem Grab befreit und jeden tötet, der zwischen ihm und dem Amulett steht.
Wir könnten an dieser Stelle geheimnisvoll tun, aber ihr habe alle habt einige der Wald-, Wiesen-, Camping-Slasher wie FREITAG, DER 13., CAMP DES GRAUENS, THE BURNING oder HATCHET gesehen und seid mit entstellten, nicht sehr klugen, aber kräftigen Einzelgängern mit Hang zu exzessiver Gewalt vertraut, denen man in der Vergangenheit übel mitspielte.
Ähnlich erging es auch Johnny, dessen Schicksal im Film ganz klassisch als Lagerfeuergeschichte erzählt wird. Was die jungen Menschen, die zwischendurch schon mal ein paar Penis-Witze austauschen, nicht wissen: sie werden dabei beobachtet.
Das kann man in ähnlich gelagerten Horrorfilmen als Zuschauer meist nur erahnen, hier wissen wir es, weil die Kamera dem durch die Wälder streifenden Johnny nie lange von der Seite weicht.
Was banal klingt macht einen enormen Unterschied.
Der Unterschied liegt in der Perspektive
Auch wenn wir z.B. den Opener von HALLOWEEN durch die Sehschlitze von Michael Myers sahen, FREITAG, DER 13. öfters mit Ego-Perspektive agiert und man auch andere der bekannten Übeltäter mal kurz sehen konnten, bevor ihre Opfer diese wahrnahmen, lässt uns IN A VIOLENT NATURE zu Johnnys permanenten Begleiter werden.
Wer FRIDAY, THE 13TH: THE GAME gespielt hat, hat bereits ein Gefühl dafür, wie das in der Praxis ausschaut.
Mitunter wirkt das wie ein Behind the scenes, denn die Frage wie Slasher-Ikonen von A nach B kommen stellt sich selten. Wenn Michael Myers vor deinem Fenster steht, dann ist er eben da, wenn Jason aus dem Crystal Lake auftaucht, ist er eben da. Hier sehen wir aber, wie Johnny seine Opfer entdeckt, um das Haus herumläuft oder auf der anderen Seeseite das kühle Nass betritt.
Das klingt zugegebenermaßen eher interessant als hochspannend und IN A VIOLENT NATURE scheint es auch gar nicht darauf anzulegen mit mitfiebernden Augenblicken zu glänzen.
Seit jeher ist der Slasher-Film hinsichtlich der Sympathieverteilung eine ambivalente Angelegenheit. Die Täter sind tumbe Killer ohne Manieren, manchmal trotzdem mit bemitleidenswertem Schicksal; die Opfer sind tumbe Teens mit Dauererektion und ohne Manieren, aber bemitleidenswertem Tod.
Daran ändert sich im vorliegenden Fall wenig, aber trotzdem will man nicht, dass Johnny beim Um-die-Hütte-Schleichen entdeckt wird. Man schließt ihn nicht mehr ins Herz als einen Victor Crowley oder einen Leatherface, aber man interessiert sich für ihn.
Ein brutaler und handgemachter Horrorfilm
Und da seit Anbeginn der Zeit originelle und/oder blutige Kills Bestandteil des Slasher-Welt sind, fehlen die auch in IN A VIOLENT NATURE nicht. Im Gegenteil, da der Film vergleichsweise wenig Schnitte setzt, versucht er auch gar nicht, die grimmigen Details in schnellen Cuts zu verstecken, sondern hält meist voll drauf.
Da hier in guter Handarbeit getrickst wurde, wird das Freunde des Gores glücklich machen, hat aber auch den Nachteil, dass man an einigen Stellen sieht, dass Latex anders reißt als menschliches Fleisch.
Dennoch, Daumen hoch für die Gewaltinszenierung, die übrigens humorfrei vorgetragen wird, durch die schiere Überdosierung aber dennoch zum Schmunzeln anregen kann. Vielleicht bleibt euch das saftige Geräusch, wenn Johnny wieder und wieder und wieder auf ein Opfer einschlägt, aber auch nach dem Abspann unangenehm in Erinnerung.
In der Endphase des Films nimmt Autor & Regisseur Chris Nash dann einen erneuten Perspektivenwechsel vor (und ab hier folgen allgemeine Spoiler), denn ab dem Moment als das Final Girl feststeht, begleiten wir dieses.
Das hätte es vielleicht nicht zwingend gebraucht, hat aber als kleinen Aha-Effekt, dass man plötzlich wieder mit ihr fiebert und sich permanent nervös fragt, wann der Killer wieder aus den Büschen bricht.
In diesen letzten Minuten erfahren wir auch noch einmal mehr darüber, wie der Filmtitel zu deuten sein könnte, denn mit der „Violent Nature“ ist offenbar nicht nur die grobe Natur des Mörders, sondern auch die Natur selbst, also Wälder, Berge, Seen und Tiere zu verstehen. Diese werden zuvor schon ausgiebig in Szene gesetzt und reichen von optischen Eindrücken, bis zum Summen von Fliegen, wirken aber nicht allzu bedrohlich. Eine Geschichte über einen Bärenangriff, weist aber einige Parallelen zu dem auf, was uns IN A VIOLENT NATURE zuvor zeigte.
Slasher mit Tiefgang?
Auch über diese philosophisch anmutende Allegorie kann man geteilter Meinung sein (wie übrigens auch über das Ende des Streifens), denn Tiefsinn muss im Slasher nun echt nicht sein. IN A VIOLENT NATURE wirkt daher an ein paar Stellen so, als habe der Autor versucht zu viele Ansätze unterzubringen, was das Ergebnis mit ein paar sichtbaren Kleberändern zurücklässt.
Andererseits ist das Werk nicht nur brutaler, sondern auch experimenteller Natur und auch wenn sich Chris Nash den ein oder anderen Gedankengang für eine Fortsetzung hätte aufheben können und seine Unerfahrenheit durchschimmert, ist IN A VIOLENT NATURE erstaunlich frisch.
Man merkt zudem, dass er sich mit seinen Vorbildern beschäftigte.
Was er aber auslässt, sind die Nacktheit und Sexszenen der 70er und 80er. Mehr als ein paar Pimmel-Flachwitze findet man hier nicht. Es ist nicht so, dass nackte Brüste einen Film per se aufwerten, aber genau in diesem Subgenre wären sie von Bedeutung gewesen.
Fazit zu IN A VIOLENT NATURE
Wer keine Experimente mag, zieht vielleicht besser die FREITAG, DER 13. – Box aus dem Regal, denn IN A VIOLENT NATURE ist nicht nur anders, er ist auch ruhig erzählt und verfolgt den Weg des „show, don’t tell“. Der Handlung zu folgen ist dabei nicht komplex, die Bausteine stehen aber in ungewöhnlicher Konstellation zueinander und geben dem Filmfan, der schon 2000 müde Slasher gesehen hat und die Genreregeln kennt, vermutlich mehr, als einem Teenager, der gerade erst ins Horrorgenre einsteigt.
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