THE HOUSE AT NIGHT ist auf den ersten Blick nichts anderes als ein Geister- bzw. Haunted House Film. Wer sich aber etwas Zeit und Ruhe nimmt, wird feststellen, dass auf standardisierte Bestandteile meist verzichtet, dafür aber eine echte Geschichte erzählt wird.
Story:
Beth ist Witwe. Ihr Mann Owen ist vor Kurzem nahe des gemeinsamen Hauses auf den See hinausgerudert und hat sich in den Kopf geschossen. Während die trauernde Frau mit einem rätselhaften Abschiedsbrief und vielen Fragen zurückbleibt und versucht ihr Leben wieder zu ordnen, findet sie auf dem Handy, dem Laptop und den Papieren ihres Mannes Hinweise darauf, dass Owen ein Doppelleben führte. Damit nicht genug, Beth wird von obskuren Alpträumen geplagt und muss sich die Frage stellen, ob Owen noch da ist.
Zwischen Trauer und Skepsis
THE HOUSE AT NIGHT (auch als THE NIGHT HOUSE bekannt) ist kein alltäglicher Horrorfilm. Nicht nur bringt er uns Beth nahe, die wir als Zuschauer in ihrer Verarbeitungsphase auf Schritt und Tritt und in ihre Träume begleiten, er enthält durch die Suizid-/Tod-Thematik auch einen hohen Dramaanteil.
Zwar spielt er über weite Teile in einem prächtigen Haus an einem malerischen See inmitten tiefer Wälder, doch sucht man jugendliche Partylover oder Backwood-Terror vergebens.
THE HOUSE AT NIGHT ist vielmehr ein Werk, das aufs Gemüt drücken kann und er ist auch deswegen ernst zu nehmen, weil er auf plakative Jumpscares verzichtet, obwohl sich immer wieder Gelegenheit dafür bieten würde und auch andere Effekte sparsam einsetzt. Dafür gibt es Stimmung und Schauspiel.
Für letzteres ist primär Rebecca Hall zuständig, die im unterbewerteten und ebenfalls unkonventionellen THE AWAKENING ebenfalls auf ein Geisterhaus traf. Hall spielt Beth und ihr ist anzumerken, dass sie Owen liebte, vermisst, aber auch nach Antworten sucht.
Doch wie das so ist, manche Antworten missfallen und als sie Bilder einer fremden, aber ihr ähnlichen Frau auf Owens Handy findet, ahnt sie noch nicht, dass dies nur die Spitze eines Eisbergs ist.
Doch auch Beth trägt etwas mit sich herum, dass man nicht jedem erzählt und alles scheint mit allem verknüpft.
Trotz eines vernünftigen Drehbuchs hat der Film einige Momente, die stutzig machen. Würde Beth jedes Passwort ihres Mannes kennen, wenn dieser jene Art Geheimnisse mit sich herumträgt, die sie entdeckt? Würde sie nur wenige Tage nach dem Selbstmord wieder ihren Job als Lehrerin aufnehmen? Es sind zugegebenermaßen meist kleinere Ungereimtheiten, aber diese wären leicht zu umschiffen gewesen.
THE HOUSE AT NIGHT wurde vom Autorenteam Ben Collins und Luke Piotrowski, verfasst, die zusammen schon mit SUPER DARK TIMES für Atmosphäre sorgten. Regie führte David Bruckner. Den bringt man vielleicht noch mit lauterem Kino wie V/H/S in Verbindung, aber auch er bewies schon mit THE RITUAL, dass er (trotz fragwürdigem Creature-Design) nachdenklichen Grusel erzeugen kann.
Thematisch bedingt erinnert THE HOUSE AT NIGHT etwas an Stephen Kings LOVE /
THE HOUSE AT NIGHT hat nicht die eine Wahrheit
SPOILER:
Dass ihn Beth anfangs in Verdacht hat, er könne sie mit anderen Frauen betrogen haben, mindert schon einmal den strahlend weißen Eindruck. Eine verstörende Puppe und ein eigenartiges Haus am anderen Seeufer lassen uns aber auch zweifeln, ob der Owen, der Beth in den Träumen begegnet und (vielleicht) auch Fußspuren hinterlässt oder Musik einschaltet, ihr wohlgesonnen ist.
Da hier und da die Grenzen zwischen Traum, Wahnsinn, Geisterwelt und Realität verschwimmen, lässt sich einiges interpretieren. So könnte Beth nach dem Aufdecken von Owens Geheimnissen einen Schutzmechanismus entwerfen, der ihr erlaubt ihn weiter zu lieben.
Ist es ihre Vergangenheit, die sie einholt oder ist es die Trauer, die ihr zusetzt? Und ist das „Ding“, das sie zu verfolgen scheint, Realität oder doch „nur“ eine Metapher für Trauer und Depression (die ihr nicht fremd zu sein scheint).
Vielleicht geschieht aber auch alles was wir sehen 1:1 wirklich.
SPOILERENDE.
Fazit:
THE HOUSE AT NIGHT ist ein erwachsener Film, der trotz der kleinen Kritikpunkte am Skript eine schlüssige und doch deutungswürdige Geschichte erzählt und in allen Belangen professionell vorgetragen wird.