Für gewöhnlich sprechen wir auf Thrill & Kill nicht unbedingt über Kriegsfilme. CIVIL WAR ist aber keine historische Aufarbeitung, sondern Fiktion, wurde von Alex Garland (28 DAYS LATER, MEN, AUSLÖSCHUNG) gedreht und stammt von A24. Die Chancen stehen also gut, dass man ein ungewöhnliches Werk zu Gesicht bekommt.
Wovon handelt CIVIL WAR?
Amerika ist im Krieg. Mit sich selbst. Inmitten eines Bürgerkriegs wollen die drei erfahrenen Kriegsreporter Lee, Joel und Sammy von New York aus ins umkämpfte Washington DC vordringen, um den Präsidenten zu interviewen und die Lage festzuhalten. Ihnen schließt sich die junge, unerfahrene Jessie an, die Lee als Vorbild sieht und ebenfalls Fotografin ist. Lee ist davon anfangs wenig begeistert, nimmt Jessie aber unter ihre Fittiche und gemeinsam begeben sie sich auf eine Reise, die die Menschen und das Land verändern wird.
CIVIL WAR hält sich nicht mit vielen Erklärungen auf, sondern wirft uns ins Geschehen. Was hier eigentlich los ist, erfahren wir im Vorbeigehen. So wird mal erwähnt, dass eine Kriegspartei die Western Forces sei, die aus Texas und Kalifornien stammen und offenbar gegen die Regierung kämpft. In einem Nebensatz wird von einer dritten Amtszeit des Präsidenten gesprochen. Zunächst wirkt die Lage aber unübersichtlich und oft grotesk.
So mischen sich in das „normale“ Leben immer wieder Augenblicke, die zu verstehen geben, dass Krieg herrscht…und umgekehrt.
Da ist beispielsweise ein Concierge in einem hochklassigen Hotel, der Lee zu verstehen gibt, dass es immer wieder zu Stromausfällen kommt und sie daher lieber in den 10. Stock laufen sollte, statt zu riskieren im Aufzug stecken zu bleiben. Da ist aber auch ein Scharfschütze, der samt Tarnanzug im Dreck liegt, aber lackierte Fingernägel trägt.
Ganz zu schweigen vom Massengrab hinter dem hübschen Farmhaus mit akkurat gemähtem Rasen.
Zwischen weißen Gartenzäunen und Massengräbern
Die Message dahinter ist klar: selbst im Krieg besteht eine Normalität, sie ist aber fragil und kann jederzeit zerplatzen.
Das erfährt nicht nur Jessie, die ihre ersten Erfahrungen in dieser erbarmungslosen Welt macht, sondern auch der Zuschauer, der oft von sanften Roadtrip-Elementen direkt in ein schreckliches Szenario geworfen wird.
Wer da mit wem und gegen wen kämpft, ist gar nicht immer deutlich und wird auch im Film in einer Szene ausgesprochen. Einheitliche Uniformen der Soldaten existieren nicht immer und manchmal entsteht auch der Eindruck, dass sich neben den Kriegsparteien auch noch bewaffnete Zivilisten einordnen, die einfach ihr Hab und Gut schützen wollen, dabei aber nicht weniger brutal vorgehen.
Damit wird nicht nur das Chaos unterstrichen, das Krieg zwangsläufig mit sich bringt, Regisseur Garland, der übrigens Brite ist, vermeidet auch politische Stellungnahmen, was genau richtig ist. Dadurch hebt sich CIVIL WAR noch mal von anderen Kriegsfilmen ab, die das Publikum in der Regel einer bestimmten Gruppe Soldaten zusehen lassen.
Stattdessen stellt er den Beobachter an die Seite der neutralen Kriegsberichterstatter, die letztlich zwar keiner Seite verpflichtet sind, aber nur mit Kameras bewaffnet und einen „Press“- Aufdruck auf Shirt und Auto geschützt an der Front „kämpfend“, darauf hoffen müssen, dass sie keine verirrte Kugel trifft und jeder ihre Neutralität berücksichtigt.
Wenn Lee und vor allem Ellie die Ereignisse mit ihren Fotoapparaten festhalten, zeigt uns der Film immer wieder die geknipsten Fotos, die dann tatsächlich an bekannte Bilder aus Krisenregionen erinnern. Generell bedient sich CIVIL WAR aber einer ausgezeichneten Kinematographie, die auch bei den bewegten Bildern ein starkes Auge für beeindruckende Aufnahmen zeigt.
Fiktiv, aber auch glaubwürdig, realistisch…und real
Die Figuren der vier Journalisten sind glaubwürdig gezeichnet. Wobei innerhalb der Gruppe vor allem die beiden Frauen Lee und Jessie im Vordergrund stehen. Lee, die von Kirsten Dunst (POWER OF THE DOG) gespielt wird, ist eine gehärtete Reporterin, die viel gesehen und erlebt hat, was aber auch sichtlich an ihr nagt. Man hat dadurch nicht den Eindruck, dass sie Jessie als Konkurrenz sieht, sondern sie vielmehr vor den Gefahren schützen will.
Jessie (Cailee Spaeny, ALIEN: ROMULUS) ist hingegen der Heißsporn, die aber wiederum nicht auf das vorbereitet ist, was sie erwartet und dennoch in ihre Rolle auf der Suche nach den perfekten Fotos hineinwächst. Gemeinsam haben sie den Drang nach dem mit dieser Arbeit verbundenen Adrenalinkick. Dabei verschwimmt mitunter sogar die Grenze zwischen dem Schießen eines Bildes und dem Schießen mit einer Waffe.
So fiktiv CIVIL WAR auch sein mag, er wirkt nicht nur an zahlreichen Stellen unangenehm realistisch, sondern auch real.
Wenn im Film die dritte Amtszeit des Präsidenten erwähnt wird (die amerikanische Verfassung beschränkt ihr Staatsoberhaupt auf zwei Amtsperioden) und man CIVIL WAR anschaut, nachdem Donald Trump seinen Wählern drei Tage zuvor zu verstehen gab, dass sie nur noch ein einziges Mal wählen müssten, versetzt einem das auch in Europa einen Stich. Und Szenen, in denen bekannte politische Gebäude in Washington attackiert werden, wecken logischerweise Assoziationen zur Stürmung des Kapitols 2021.
Auch wenn Garland wie schon oben erwähnt keine politische Stellung bezieht, die Warnung vor machthungrigen Despoten weltweit transportiert sein Film beeindruckend.
Garland selbst soll gesagt haben, dass CIVIL WAR sein Pendant zu MEN sei. Das kann man so stehen lassen, denn während MEN mit einer sicher gut gemeinten, aber letztlich plumpen Message aufwartete und sich in surrealen Augenblicken verlor, ist CIVIL WAR bodenständig und bringt seine Inhalte subtiler rüber.
Fazit zu CIVIL WAR
A24 scheint sich vermehrt vom reinen Kunstfilm zu lösen. Für CIVIL WAR wurde nicht nur ein stattliches Budget von 75 Mio $ angesetzt, auch die sonst meist familiäre Thematik wurde deutlich ausgeweitet. Dem Storytelling, der Figurenzeichnung und der Verortung abseits platten Mainstreams tut das keinen Abbruch.
CIVIL WAR ist zu empfehlen!