Als Daniel Katz, David Fenkel und John Hodges im Jahr 2012 A24 gründeten, war wohl noch nicht abzusehen, dass ihr Fimenname ein Jahrzehnt später so mit einer bestimmten Filmrichtung verknüpft sein wird, wie man das sonst wohl nur von Troma kennt.
Während bei Troma bei den meisten vermutlich das Stichwort Trash aufleuchtet, ist es bei A24 die Assoziation zu Arthouse.
Ganz falsch liegt man damit in beiden Fällen nicht, aber wie so oft wären weitere Begriffe wie Anspruch, Mindfuck, Independent, Elevated Horror, Qualität oder Anti-Mainstream hilfreich, um die Produktionsfirma und Filmverleih auch nur grob zu umreißen.
In jedem Fall hat sich A24 einen Ruf aufgebaut, der Cineasten zumindest bei jeder Neuerscheinung hellhörig werden lässt, denn man weiß, dass Blumhouse, Disney oder eben Troma in der Regel eine andere Art Film liefern.
Wir haben heute 24 der besten A24-Filme zusammengetragen, die zu uns passen (sorry an THE WHALE und Co.), aber trotzdem das breite Spektrum von A24 abbilden.
HEREDITARY
Auch wenn es nicht stimmt, könnte man meinen, dass mit HEREDITARY bei A24 alles anfing.
Kommerziell war er jedenfalls einer der größten Erfolge und spielte über 80 Millionen Dollar an den Kinokassen ein, das Achtfache seines Budgets.
Gesehen hat ihn heute (fast) jeder.
HERDITARY ist natürlich auch das Langfilm-Regiedebüt Ari Asters, der es nicht nur versteht visuell beeindruckende Szenen einzufangen, sondern auch einen introvertierten Horror etabliert.
TUSK
Während Dr. Heiter in Deutschland menschliche Tausendfüßler bastelte, schnippelt man sich in Kanada sein eigenes Walross.
TUSK ist womöglich nicht der typischste A24 – Horrorfilm, aber zumindest einer von der Sorte, bei dem man sich auch fragt, wie diese Leute auf ihre Ideen kommen.
Justin Long (JEEPERS CREEPERS, DRAG ME TO HELL, BARBARIAN) ist hier mal wieder das bedauernswerte Opfer, der sich einer ganzen Reihe schrecklicher Körpermodifikationen unterziehen muss.
MEN
Bei manchen Filmen dieser Liste steht die Anmerkung, dass sie gar nicht so recht zum A24 – Portfolio passen wollen, aber bei MEN ist das anders. Hier wird auf kunstvoll-verstörende Weise mal mehr mal weniger offensichtlich der Kampf einer jungen Frau gegen die aufdringliche Männerwelt wiedergegeben.
Während MEN Klasse von Hauptdarstellerin Jessie Buckley gespielt wird, ist sich Regisseur Alex Garland nicht ganz einig, ob er sein Anliegen möglichst plakativ oder möglichst verklausuliert vortragen möchte. In jedem Fall nur für „typische“ A24-Schauer geeignet.
ENEMY
Mit ENEMY befinden wir uns wieder brusttief im symbolträchtigen Arthouse-Kino.
Regisseur Denis Villeneuve (PRISONERS) schickt seinen Hauptdarsteller Jake Gyllenhaal in eine Welt mit Doppelgängern, Intimität, Riesenspinnen und sepiafarbener Düsternis.
Inhaltsangabe? Nee, ENEMY muss man selbst schauen.
THE ROVER
Erinnert ihr euch, als Robert Pattinson eine Lachnummer war, ein Glitzervampir? THE ROVER war wohl der Wendepunkt, an dem man anfing, ihn ernst zu nehmen. Mit Guy Pearce als zweiten Hauptdarsteller macht man ohnehin selten was falsch.
Die beiden durchstreifen zusammen eine „halb-normale“ Welt, auf der Suche nach einem gestohlenen Auto. Die Sitten sind verroht, die Gefahr allgegenwärtig, aber Endzeit a la MAD MAX sieht anders aus.
LIFE AFTER BETH
Von allen hier aufgeführten Filmen, ist LIFE AFTER BETH der einzige, den man als Komödie bezeichnen darf. Tatsächlich hätte man von A24 wohl eher einen ernsthaften, melancholischeren Film wie den ähnlich gelagerten KÜSS MICH, ZOMBIE erwartet, aber auch LIFE AFTER BETH ist kein alberner Slapstick geworden, sondern kombiniert schwarzen Humor und die manchmal auch tragische Frage, wie man damit umgeht, wenn die durch einen Schlangenbiss gestorbene Freundin plötzlich wieder aufsteht.
UNDER THE SKIN
UNDER THE SKIN ist ein Film voller Kontraste. Einerseits erwarten uns stilisierte, kunstvolle Arthouseszenen, aber teilweise wurde hier in bester Guerilla-Manier einfach auf der Straße gefilmt.
Scarlett Johansson spielt darin eine Mörderin, die Männer in eine wahrlich ungewöhnliche Falle lockt.
Die Romanverfilmung Michael Fabers bietet viel zu entdecken, viel zu interpretieren und wirkt polarisierend.
THE WITCH
THE WITCH, das Debüt von Robert Eggers, ist natürlich auch eines jener A24 – Aushängeschilder und trotz eines plakativen Titels, ist es vor allem Stimmung, die Eggers in den abgelegenen, schattigen Wäldern Neuenglands erzeugt. In authentisch wirkender Atmosphäre, Sprache und Kleidung sehen wir, wie sich eine Familie durch Glaube, Aberglaube und Paranoia zunehmend voneinander entfernt.
THE WITCH ist nicht auf simple Unterhaltung aus, aber mit dem „schwarzen Phillipp“ brachte der Film eine wahre Kultfigur hervor.
GREEN ROOM
Wenn du als Punkband in einem Nazischuppen auftrittst und dann noch die Eier hast „Nazi Punks fuck off“ zu spielen, ist Ärger vorprogrammiert. Doch das Ausmaß der Gewalt ist dann doch für Band und Zuschauer überraschend.
GREEN ROOM ist zwar kein Kunstfilm wie viele andere dieser Liste, aber ein brutaler, ernster Thriller…und zudem der letzte Film des zu früh verstorbenen Anton Yelchin.
SWISS ARMY MAN
Dies ist der Film, der dir zeigt, wofür man eine (furzende) Leiche nutzen kann.
Was klingt wie ultraflache Comedy, ist eine erstaunlich smarte, aber warmherzige Groteske, bei der ein potentieller Selbstmörder mit Hilfe eines Toten neuen Lebensmut schöpft.
Und Daniel Radcliffe beweist, dass er sogar einen pupsenden Kadaver spielen kann.
THE MONSTER
Regisseur Bryan Bertino mag Geschichten mit kleinem Personenkreis. Das war bei THE STRANGERS so, das war bei THE DARK AND THE WICKED so und das ist auch bei THE MONSTER so, bei dem eine Mutter und ihre Tochter auf einer einsamen Landstraße einem (man ahnt es) Monster stellen müssen.
Nun kann man THE MONSTER einfach als relativ gewöhnliches Creature Feature sehen oder aber mehr aus den Figuren ziehen und interpretieren. Wir empfehlen letzteres.
A GHOST STORY
Bettlaken-Gespenster sind ein Klischee, das aber tatsächlich in Horrorfilmen so gut wie nie auftaucht. In A GHOST STORY sehen wir mal eines, aber dies ist kein Horrorfilm, sondern ein übernatürliches Drama, bei dem Casey Affleck nach seinem verfrühten Ableben unter besagtem Laken und in seinem Haus bleiben muss. A GHOST STORY ist eine tieftraurige Geschichte, die einen anderen Blick auf Geister wirft.
TALK TO ME
TALK TO ME macht eigentlich nichts anders als andere Horrorfilme. Er lässt einige Jugendliche eine Art Seance abhalten….und dann fügt er noch einen Schuss Tiefe und Details hinzu und schon hat man eine im Kontext des Films glaubwürdige Situation und Protagonisten mit denen man leidet.
THE KILLING OF A SACRED DEER
Zugegeben, die griechische Mythologie wurde in den letzten 100 Filmjahren (zu) oft durch die Manege getrieben und immer dann verwendet, wenn man sich sehr klug geben wollte.THE KILLING OF A SACRED DEER stammt aber immerhin von zwei Griechen (den Machern von THE LOBSTER und DOGTOOTH), zeigt mit Nicole Kidman und Colin Farrell zwei stark spielende Hauptdarsteller und hat genug rätselhafte Substanz.
Oberflächlich geht es um einen Chirurgen, der Kontakt zu dem Sohn eines Patienten pflegt, der ihm während einer OP verstarb. Daraus entwickelt sich ein zunehmend schwieriges Verhältnis, dass ein Opfer fordert.
CLIMAX
Gaspar Noé passt grundsätzlich schon immer zu A24 und das gilt auch für seinen CLIMAX, der nicht mit einer, nicht mit zwei, sondern gleich mit drei starken Eröffnungsszenen aufwartet, langen Oneshots und Tanzszenen aufwartet und dabei den typischen Strudel aus Wahnsinn entfacht, den man von Noé erwarten darf.
Inhaltlich geht es um eine Tanzgruppe, denen jemand auf einer Feier Drogen in die Drinks mischte, was nicht nur zu rhythmischen Bewegungen führt.
THE HOLE IN THE GROUND
Regisseur Lee Cronin sorgte mit EVIL DEAD RISE für Aufsehen, sein Vorgänger THE HOLE IN THE GROUND lässt sich zwar auch als Familienangelegenheit bezeichnen, ist ansonsten aber doch anders gelagert. Der Film ist andererseits aber auch nicht Arthouse genug, um ihn als urtypischen A24-Grusel zu sehen. Wer aber einen Slowburner zu schätzen weiß, sollte sich den Streifen um das ominöse Loch im Wald in Kombination mit einer Wechselbalg-Thematik ansehen.
UNDER THE SILVER LAKE
Schon IT FOLLOWS hätte sich im Repertoire von A24 gut gemacht, aber auch der Zweitling von David Robert Mitchell zeigt, dass der Regisseur was von Filmkunst versteht.
Waren es John Carpenters Spuren, denen er in IT FOLLOWS folgte, wandelt er hier u.a. auf Hitchcocks Pfaden. Zwar ist UNDER THE SILVER LAKE „nur“ Mystery statt Horror, zu entdecken gibt es aber einiges und eine Stadtrundfahrt durch L.A. ist im Preis inbegriffen.
MIDSOMMAR
Ari Asters zweiter Film schlägt in eine ähnliche Kerbe wie HEREDITARY und ist doch ganz anders.
Unschöne Familienverhältnisse, psychische Probleme und am Ende steht jemand in Flammen.
Aber MIDSOMMAR zeigt auch, dass Horror bei gleisendem Sonnenlicht funktionieren kann…und Schweden nicht nur Villa Kunterbunt ist.
SKIN
Zwischen Elevated Horror und Mindfuck findet man im A24 – Katalog diese nüchterne Biografie eines Aussteigers der White Supremecy – Szene.
Hier kann man das inflationär genutzte „auf Tatsachen beruhend“ mal guten Gewissens glauben.
DER LEUCHTTURM
Als DER LEUCHTTURM erschien, wusste man: mit Willem Dafoe und Robert Pattinson macht man nichts falsch. Mit welcher Wucht, die beiden hier aber mit- und gegeneinander spielen, überrascht dann doch. Sie lieben, hassen und besaufen sich und Robert Eggers jongliert in seinem Zweitling mit Poe, Lovecraft, nautischem Horror und griechischer Mythologie.
Da ist die Story, um die beiden Leuchtturmwärter, die nach ihrer vierwöchigen Schicht ihren Arbeitsort nicht mehr verlassen können, fast nebensächlich.
SAINT MAUD
Titelfigur Maud soll sich als Privatkrankenschwester um die schwerkranke Choreographin Amanda kümmern.
Doch damit prallen zwei Welten aufeinander, denn trotz Krankheit genießt Amanda ein ausschweifendes Leben, während Maud gottesfürchtig versucht die Seele ihrer Patientin zu retten.
SAINT MAUD ist eindeutig mehr Drama als Horror und bringt diesen erst spät in die Geschichte. Wer aber gute Figuren in atmosphärischem Setting zu schätzen weiß, ist hier richtig.
LAMB
Dass Noomi Rapace neben Englisch jede nordische Sprache spricht, hilft ihr in diesem Fall sich auch auf einer Farm in Island zurechtzufinden. Dort adoptieren sie und ihr Mann ein Kind, das halb Schaf, halb Mensch ist, was natürlich zu ungewöhnlichen Problemen führt.
LAMB ist süß, LAMB ist tragisch, LAMB ist landschaftlich beeindruckend, aber LAMB ist kein Horrorfilm….er könnte jedoch Leuten gefallen, die Horrorfilme mögen.
X / PEARL
Sex und Horrorfilme gehen schon lange Hand in Hand, was bietet sich also mehr an, als gleich einen Pornodreh mit den spätestens seit TEXAS CHAIN SAW MASSACRE bekannten Gefahren des texanischen Hinterlands zu verbinden.
X markiert das Comeback von Ti West, der mit HOUSE OF THE DEVIL einen liebevollen Karriereeinstand gab, aber dann mit Kamellen wie CABIN FEVER 2 oder THE SACRAMENT verheizt wurde. Und weil West offenbar Spaß an A24 hat und umgekehrt, durfte er gleich hinterher PEARL drehen, der ein Prequel zu X darstellt.
habe ich „Beau ist afraid“ übersehen ?
Der wurde doch auch von A24 produziert.
Vielen lieben Dank für die tolle Liste. Das habe ich mir von Euch gewünscht! A24 sind mittlerweile kein Phänomen mehr, sondern konzentrieren bewusst weirde Ideen und cineastisches Können um sich. Und im Merch wissen sie auch wie es geht. Btw, man kann die Hand von Talk to me im onlineshop kaufen.