Mit NINE PERFECT STRANGERS schmiss Prime ein echtes Staraufgebot auf die Plattform. Nun machen eine Handvoll bekannter Leute aber noch lange keine gute Show, also muss eine gute Story, samt Schauspiel, ebenfalls gegeben sein. Welchen Eindruck macht schlussendlich die Reise ins Ich, an der Seite von Nicole Kidman?
Story
Neun gestresste Großstädter besuchen ein Resort für Gesundheit und Wellness. In Tranquillum sollen die Besucher Heilung und Transformation erfahren. Geleitet wird das Ganze von einer Frau, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, ihren, und den müden Geist und Körper der Anderen, wiederzubeleben. Doch die Behandlungen laufen nicht alle reibungslos ab und so beginnt eine Reise ins Glück oder auch ins Verderben.
Bei allen neun Besuchern bedeutet der Aufenthalt in Tranquillum eine Auszeit von ihren Leben. Jeder Einzelne hat seine Sorgen und Probleme, Geheimnisse und Ängste, welche Masha in ihrem Erholungsresort behandeln und mildern möchte.
Neun Fremde
Die Charaktere könnten unterschiedlicher nicht sein, auch wenn wir zuerst kaum Einzelheiten aus den Leben der Neun erfahren, wird dies gleich zu Beginn klar. Die Story schleppt sich anfangs ein wenig, was zu verschmerzen ist, da jede Charakter-Entwicklung (und davon gibt es eine Menge) ihre Zeit und Erklärung braucht.
Auch wenn man die Schauspieler kennt, muss ihr Spiel nicht zwangsläufig gut sein. In NINE PERFECT STRANGERS allerdings haben sie ausnahmslos abgeliefert. Allen voran, Michael Shannon (THE SHAPE OF WATER), der das Familienoberhaupt der einzigen Familie im Resort, den Marconis, mimt und ein fabelhaft facettenreiches, passend nerviges Schauspiel bietet. Nicole Kidman, in ihrer Rolle als Masha Dmitrichenko, Gründerin des Tranquillum-Resorts, war eine kleine Überraschung. Ist man zu Beginn noch auf ihre mittlerweile künstliches Gesicht fixiert, vergeht dies schnell, da sie es schafft einen ganz eigenen Bann auf ihren Charakter zu lenken. Und damit Neugier zu wecken, welche Begebenheiten diesen Charakter geformt haben.
Ebenfalls schwer verunstaltet, allerdings nur mit Make-up, wurde Samara Weaving als Jessica Chandler, ohne den Cast aus NINE PERFECT STRANGERS zu kennen, fällt es schwer die toughe Dame aus READY OR NOT? zu erkennen. Dennoch, an ihrer Rolle bleiben keine Zweifel, Samara gehört zu einer der Schauspielerinnen, die wandelbar und in ihren Rollen glaubhaft sind. Melissa McCarthy, eher für ihre lustigen Rollen bekannt, behält zwar ihre komische Note, überzeugt aber auch in ernsten Szenen. In NINE PERFECT STRANGERS spielt McCarthy übrigens zum fünften Mal an der Seite von Bobby Cannavale (MOTHERLESS BROOKLYN).
Die Reise ins Ich
Die Probleme der Neun zu nennen, wäre ein Spoiler, der das entdecken und so manchen Twist verraten würde, deshalb verzichten wir hier darauf. Stattdessen gehen wir auf die vielfältigen Charaktere ein. Grob gesagt, stehen wir vor eine riesigen Charakter-Studie, die zeigt, welche Mechanismen Menschen haben, wie sie ablaufen und teilweise abfärben. Welche Traumata unterdrückt werden und/oder tief in den Menschen schlummern und explosionsartig ans Tageslicht kommen können.
Der Zweck heiligt nicht die Mittel
Zur Heilung der Neun gehört neben Gesprächen und Gruppenarbeit eine Art stimulierende Droge, welche die Besucher ruhiger und bedachter werden lässt. Nicht jeder ist davon begeistert, entscheidet sich letztlich aber doch dafür, um Erfolge verzeichnen zu können. Auch wenn, aufgrund der Probleme weswegen die Menschen im Resort sind, ihre Entscheidungen nachvollziehbar sind, hätte ein wenig differenziertes Denken über den Konsum von Bewusstseinsverändernden Substanzen nicht geschadet. Die visuelle Darstellung entschädigt aber für diesen kleinen Fauxpas, die Qualität ist in fast allen Bereichen erfreulich hoch.
NINE PERFECT STRANGERS bietet eine mysteriöse Story, die sich langsam aber stetig entfaltet, neue Wege beschreitet und mit kleinen und einem großen Twist aufwartet. Fans von Blut und Terror kommen nicht auf ihre Kosten, dafür aber Jene, die gern in die kaputten Seelen Anderer schauen (in filmischer Sicht). Die Serie ist eine Miniserie und damit in sich abgeschlossen.