Eli Roth ist seit 20 Jahren in der Horrorszene eine Präsenz, aber trotz einer unleugbaren Bedeutung (HOSTEL) nicht unbedingt jemand, dem wir immer für sein Schaffen den roten Teppich ausgerollt hätten.
Sein Tun glich in der Vergangenheit oft einem rechtspopulistischen Social Media–Meme: 500.000 Likes von einfach gestrickten Trotteln, inhaltlich leer.
In den letzten Jahren war Roth jedoch eine gewisse Entwicklung anzumerken. Er drehte weniger, brach aber eigene Grenzen und führte beim kindgerechten Grusel DAS HAUS DER GEHEIMNISVOLLEN UHREN und dem leider wenig beachteten Dokumentarfilm FIN Regie.
Mit THANKSGIVING kehrt Roth ohne Wenn und Aber zum Horror zurück und bringt (vorerst) zu Ende, was er vor rund anderthalb Jahrzehnten mit einem Fake-Trailer im Rahmen der Tarantino/Rodriguez-GRINDHOUSE-Filme begonnen hatte.
Wovon handelt THANKSGIVING?
Ein Jahr ist vergangen, seit in der Kleinstadt Plymouth bei einem Thanksgiving-Sonderverkauf zahlreiche Menschen durch eine Massenpanik ums Leben kamen. Ein Jahr später hat sich die Stadt gerade notdürftig von dem Zwischenfall erholt, da geschehen plötzlich brutale Morde. Opfer sind jene, die mit der Katastrophe in Verbindung stehen.
Die Angst vor nackten Ärschen
Die schlechte Nachricht zuerst: den schäbigen Look, den der Fake-Trailer noch hatte, ist gewichen. Plymouth sieht heute so aus, als könnte es sich um Haddonfield oder Woodsboro handeln. Waren 2007 im Trailer noch diverse freizügige Momente eingebaut, sind diese Szenen zwar 2023 wiederzuerkennen, wurden aber entschärft.
Die Trampolinturnerin hat heute beispielsweise mehr an.
Zum Vergleich: Hier seht ihr die Szene im Film (Spoiler) und hier im Fake-Trailer
Vielleicht ist auch das ein Zeichen eines gereiften Eli Roth; der Tatsache, dass Harvey Weinstein nicht mehr der Produzent ist…oder der generellen Angst vor nackten Ärschen.
Das gilt glücklicherweise nicht für die Gewaltanteile, die reichlich vorhanden sind. Zwar fällt auf, dass einige Morde erstaunlich kurz vorgetragen und dadurch die Brutalität weniger zelebriert wird, der Härtegrad geht aber durchaus in Ordnung.
Hier und da kommen auch spannende Schleicher-Momente dazu, in denen die Protagonisten versuchen dem maskierten Killer auszuweichen und etwas Ekel gibt es auch.
Was man freilich nicht erwarten sollte, sind tiefe Charakterzeichnungen. Dass Roth aber nicht jede Figur wie einen unsympathischen Lappen erscheinen lässt, der man jede erdenkliche Qual an den Hals wünscht, ist schon mal ein Gewinn und bietet die Möglichkeit MIT statt GEGEN diese Personen zu fiebern.
Davon abgesehen ist THANKSGIVING ein lupenreiner Slasher und Slasher bauen selten auf ausgefeilte Charaktere.
Slasher folgen allerdings auch gewissen Mustern und damit ist klar, dass die große Innovation und die enorme Überraschung ausbleibt. Was aber wichtiger ist, THANKSGIVING leistet sich keine groben Schnitzer. Ja, man kennt das Setting in ähnlicher Form; ja, Feiertags-Slasher gibt es von Halloween, über Weihnachten, Ostern und St. Patrick’s Day bis zum Valentinstag; ja, der Personenkreis ist anfangs etwas unübersichtlich und mancher Nebenkriegsschauplatz wird nicht zu Ende geführt, aber das ist zu ertragen.
Obendrein ist THANKSGIVING anzumerken, dass er -anders als frühere Roth-Streifen- zwar nicht auf Humor setzt, aber auch keine Ambitionen zeigt, besonders ernst genommen zu werden.
THANKSGIVING ist ein überraschend frischer Film
Zieht man einmal den Vergleich von THANKSGIVING zu den etablierten Slasherreihen wie HALLOWEEN, TEXAS CHAINSAW MASSACRE oder SCREAM, die alle vor nicht allzu langer Zeit einen neuen Teil ablieferten, aber oft über ihre eigenen Konventionen und Legacy-Gedöns stolperten, schuldet Roth‘ Film niemandem eine Erklärung, muss keine ollen Helden aus der Versenkung hervorkramen und kann auf Maskenmörder im Rentenalter verzichten.
All das liegt zwar in der Natur der Sache, spart aber lästigen Fanservice a la „I’ll be back“.
Fazit zu THANKSGIVING
Als jemand, der von Eli Roth nun echt nicht immer in den höchsten Tönen sprach: dies ist ein solider, ehrlicher, brutaler Slasher, der sich nicht blamiert und nicht cringig wirkt, auch wenn mir persönlich ein grindhousiger, roher Look besser gefallen hätte.
Hier könnt ihr THANKSGIVING sehen
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