DRIVE-AWAY DOLLS ist ein Film, der mich gleich in zweifacher Hinsicht überraschen konnte. Zum einen ging er im Stapel neuer Discs auf wundersame Weise verloren, weswegen ich beim Wiederentdecken die erste Überraschung erlebte und dieser Text lange nach Veröffentlichung entsteht. zum anderen wähnt einen das Werk zunächst in der zweifelhaften Sicherheit einen kleinen Film eines jungen Filmemachers zu sehen, dem es an Geld, Erfahrung und Besetzung fehlte, nur um dann diese Erwartungen zu torpedieren.
Wovon handelt DRIVE-AWAY DOLLS?
Es sind die späten 90er. Die extrovertierte, freizügige Jamie und die zurückhaltende Marian stehen beide auf Frauen. Sie sind befreundet, fühlen sich aber nicht zueinander hingezogen. Als beide eine Auszeit brauchen, beschließen sie einen Wagen nach Tallahassee, Florida zu überführen, wo Marians Tante wohnt. Doch den beiden steht nicht nur ein Road Trip mit all jenen Abenteuern bevor, die ein Road Trip mit sich bringt, sieh haben auch versehentlich ein Auto mit „heißer Ware“ an Bord und werden nun von Verbrechern verfolgt.
Wenn man sich DRIVE-AWAY DOLLS ohne jedes Vorwissen ansieht, wird man womöglich denken, dass die lesbische Groteske vermutlich von einer Frau erdacht wurde, die zu viele Filme der Coen-Brüder sah. Eine kurze Recherche verrät aber, dass eben tatsächlich Ethan Coen Regie führte und auch am Drehbuch beteiligt war. Co-Autorin ist Tricia Cooke, Ethans Ehefrau, die bei den bekannteren Filme wie FARGO oder O BROTHER WHERE ART THOU für den Schnitt verantwortlich war.
Es mangelt nicht an Starpower
Das dürfte aber nicht der einzige Aha-Moment bleiben, denn im Film tauchen prominente Namen wie Pedro Pascal (THE LAST OF US), Matt Damon (DEPARTED) oder auch Popstar Miley Cyrus in Klein- bis Kleinstrollen auf.
Was die Genre-Zuordnung angeht, haben wir den Road Trip und Groteske bereits erwähnt, aber darüber hinaus könnten Spuren von Buddy Movie, Komödie, Thriller und queerer Romanze enthalten sein. Ein typisches Coen-Ding eben, aber man merkt DRIVE-AWAY DOLLS schon an, dass Bruder Joel Coen nicht beteiligt war, denn der hätte wohl noch einige Ideen beigesteuert.
So zündet nicht jeder Gag und trotz einiger sympathisch-skurriler Figuren wäre bei doppelter Coen-Power wohl mehr drin gewesen. Das Gefühl, dass man hier einen kleinen, niedrig budgetierten Film sah, der mit unausgereifter Beleuchtung auffällt und der vielleicht auch etwas Guerilla-Projekt war, bleibt daher auch nach dem Abspann.
Was positiv auffällt: die sexuelle Komponente wird ausgiebig besprochen, teils auch gezeigt, ist aber weder ein klebriger Männertraum, kein herabwürdigendes Statement, noch ein schweres, betroffenes homoerotisches Drama, sondern wird auf eine liebevoll-respektlose Weise vorgetragen, als wäre tatsächlich noch das alte Jahrtausend. Ja, da wird manchmal mit den Klischees jongliert, die vom Dildo über das lesbische Fußballteam reichen, gleichzeitig liegt darin aber weder etwas Bösartiges, noch das angestrengte Bemühen bloß niemandem auf den Schlips zu treten.
(was aber sicher dazu führt, dass sich IRGENDWER trotzdem angegriffen fühlen wird)
Margaret Qualley und Geraldine Viswanathan, die die beiden Hauptfiguren geben, machen ihre Sache für diese Art Film anständig, Qualley allerdings mehr, während Viswanathan etwas zu arg auf „die Schüchterne“ macht.
Aber egal, DRIVE-AWAY DOLLS wird ohnehin in keiner Kategorie einen Oscar gewinnen, weder fürs Script, noch die Regie, noch das Schauspiel.
Wer aber einen Appetithappen nach Coen-Art sucht, kann sich das Ergebnis mit gesenkter Erwartung gut ansehen.
Bis ein neuer Film beider Brüder erscheint wird übrigens noch etwas dauern, denn Ethan fand genug Spaß an DRIVE-AWAY DOLLS, um (vermutlich 2025) das Sequel HONEY DON’T folgen zu lassen.
Hier kannst du DRIVE-AWAY DOLLS sehen
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