Wenn ein junger Filmemacher zum ersten Mal dreht, hat er mit hoher Wahrscheinlichkeit den Traum an einer großen Produktion mitwirken zu können und spätestens wenn er sich das erste Mal mit der finanziellen Seite seines Hobbys beschäftigt, wächst auch der Wunsch auf ein größeres Budget.
Eines, das im besten Fall auch die eigene Arbeit gut bezahlt.
Gerade mittelgroße Filme, die dem Amateurbereich entwachsen sind, aber kaum genug Geld (und keinen Namen) haben, um alle am Set und dahinter satt zu machen, tun sich heutzutage schwer.
Es werden immer mehr Filme veröffentlicht. Alleine 2023 wurden 1386 Horrorfilme veröffentlicht. Wer die alle sehen will, schaut täglich etwa 4 Filme.
Zum Vergleich: 1998 waren es nur 165 Filme.
Die Stücke am Kuchen werden also kleiner, eine Kinoveröffentlichung bleibt natürlich auch nicht für alle übrig, illegales Streamen ist aber weiterhin ein Problem…gerade, wenn die Gewinnspanne ohnehin klein ist.
Es gibt also viele gute Gründe, warum ein talentierter Regisseur oder Drehbuchautor nicht lange zögert, wenn ein Hollywood-Produzent wie Jason Blum ein Angebot macht, das sich nicht ausschlagen lässt.
Jason Blum und seine Produktionsfirma werden von Filmfans gerne belächelt, was im Einzelfall nicht gerechtfertigt ist, wie unser Special veranschaulicht, andererseits lässt sich kaum in Abrede stellen, dass 90% seiner Filme Stangenware sind, die man nicht Kunst, sondern allenfalls Handwerk nennen kann.
Auch wenn es Verfechter gibt, die jedem Film einen künstlerischen Wert zusprechen, haben diese wohl nie einen Porno gesehen. Die haben auch eine Aufgabe und diese erfüllen viele sogar, aber die wenigsten Menschen werden das Gefühl haben ein Kunstwerk zu erleben. Mit einer Tsunami-artigen Veröffentlichungspolitik aus Sequels und Remakes, sowie Malen-nach-Zahlen-Jumpscare-Formel verhält es sich ähnlich.
Ein Jumpscare ist in einigen Horrorfilmen so obligatorisch wie ein Cumshot im Porno. Man erschreckt sich trotzdem, aber man weiß auch, dass die Inspiration einzig und alleine in grünen Scheinen besteht.
Aber jedem wie es ihm und ihr gefällt und es gäbe grundsätzlich genug Platz für harten Splatter, Arthouse-Horror und teeniegerechten Grusel.
Das Problem ist ein anderes und wir haben das bereits in unserem Artikel zur Zustandsfeststellung des aktuellen Horrors angerissen:
Wer sein Talent verschwendet, indem er sich abwerben lässt, um Fastfood zu drehen, hat keine Zeit mehr für eine vollwertige Mahlzeit. Eigene Ideen, Visionen und Kunst bleiben dadurch auf der Strecke.
Man stelle sich vor, Alfred Hitchcock hätte mit seinen Filmen nicht genug verdient und wäre gezwungen gewesen, Hochzeitsvideos zu filmen.
Man male sich aus, John Carpenter hätte aus Geldnot auf Regiearbeit bei Horrorfilmen verzichtet und hätte nur noch Werbespots gedreht.
Und das was stattdessen gedreht wird, sind gelinde gesagt durchwachsene Ergebnisse, wie folgende jüngere Beispiele zeigen (die nicht alle Blumhouse zuzuordnen sind).
Inhaltsverzeichnis
Corin Hardy
Hardy drehte den sehenswerten THE HALLOW, der sich zwar bei einigen Klassikern bediente, aber auch Ideen und Qualitäten mitbrachte.
Es folgte ein Anruf von James Wan (vielleicht war es auch eine Email von jemand anderem, so genau wissen wir das nicht) und Hardy drehte als nächstes THE NUN. Dass er zwar auch hier ein paar Referenzen an klassische Filme der Hammer Studios (neblige Friedhöfe etc.) einbaute, dürfte fürs pubertäre Zielpublikum nicht mehr als ein Easteregg sein. Größere Qualitäten sucht man vergebens, billige Jumpscares gibt es en masse, der Gewinn an der Kinokasse ist aber eindeutig.
Ciarán Foy
Foys Erstwerk CITADEL drehte er noch in der irischen Heimat. Seinen nächsten Film SINISTER 2 in den USA für Blumhouse.
Es gibt schwächere Filme und man sollte nicht vergessen, dass SINISTER auch von Blumhouse produziert wurde, wenn man aber weiß wie gut der erste war, wirkt Ciarán Foys Sequel nur wie ein dünnes Filmchen, dem der Produzent zu viel reingeredet hat.
Nicolas Pesce
Pesce drehte zu Beginn seiner Karriere die sperrigen Filme THE EYES OF MY MOTHER und PIERCING. Einspielergebnis: weniger als 180.000$…gemeinsam. Die Kritiken waren oft positiv, die Einnahmen nicht.
Das änderte sich mit einer Neuauflage von THE GRUDGE 2020. Ein paar Jumpscares und die omnipräsente Lin Shaye, sowie das natürlich bekannte Franchise und das Marketing von Blumhouse im Rücken und schon wurden 50 Mio$ eingespielt, bei nur 10 Mio Budget.
Mit Kunst hat das nichts mehr zu tun aber es bezahlt Pesces Rechnungen.
Ben Wheatley
WHEATLEY ist der wohl überraschendste Name dieser Liste, denn mit KILL LIST, HIGH-RISE, EIN FELD IN ENGLAND oder FREE FIRE hat er sich über Jahre und Filme hinweg einen Namen aufgebaut. Als jemand, der keinen alltäglichen Stoff schreibt und umsetzt….aber damit wenige Leute erreicht.
Das 130 Mio$ Budget für MEG 2 dürften mehr gewesen sein, als das was alle seine bisherigen zusammen kosteten und womöglich bewegte sich Wheatleys Gehalt in ähnlichem Verhältnis. Man kann ihm diesbezüglich also kaum einen Vorwurf machen.
Der Film spielte an die 400 Millionen ein, ist aber auf gängigen Plattformen schlechter bewertet als alles andere in seinem Lebenslauf.
Kevin Goetz, Michael Goetz
Wer SCENIC ROUTE nicht kennt, hat einen mal spannenden, mal humorvollen, mal brutalen, mal tragischen Film verpasst, der allerdings nicht ins typische Horrormuster fiel und wohl auch deswegen recht erfolglos blieb, weil außer den beiden Hauptfiguren kaum jemand mitspielte.
Der Nachfolgefilm MARTYRS sorgte da für mehr Aufsehen und auch mehr Horror. Allerdings auch viel Kopfschütteln. Wenn es etwas Gutes an diesem cineastischen Unfall zu bemerken gibt, dann dass der Film beweist, dass das französische Original eben mehr zu bieten hat, als nur schonungslose Härte.
Ansonsten kann das weg.
Der Nachfolgefilm A VIOLENT SEPARATION erfuhr wieder deutlich weniger Beachtung, wurde aber nicht von Blum produziert und erhielt bessere Kritiken.
Kevin Kölsch, Dennis Widmyer
Noch ein Regieduo, das einen sehenswerten Independentfilm vorlegte, dem anzusehen ist, dass er kein Megabudget hatte, der aber trotzdem viele Horrorliebhaber ansprach. Doch auf STARRY EYES folgte die Neuverfilmung von FRIEDHOF DER KUSCHELTIERE. Kommerziell ein Erfolg und tatsächlich gibt es für sich genommen miesere Filme, aber auch diesem Blumhouse-Werk ist eine kalkulierte Abgeklärtheit anzumerken. Niemand machte mehr als er musste, ein paar austauschbare (aber zugegeben effektive) Horrorszenen wurden aneinandergereiht und man machte sich ans Zählen der Dollarnoten.
Weder die erste Verfilmung noch die niederschmetternde Atmosphäre aus Stephen Kings Vorlage konnten erreicht werden.
David M. Rosenthal
David M. Rosenthal unterscheidet sich von den anderen Regisseuren dieser Aufstellung dadurch, dass er schon seit Beginn des Jahrhunderts Spielfilme aller Genres drehte, darunter den Thriller A SINGLE SHOT oder den Endzeitfilm HOW IT ENDS. Die kann man kennen, aber man kann auch erahnen, dass Rosenthal schwer nein sagen konnte, als Jason Blum für JACOB’S LADDER einen Regisseur suchte.
Das Ergebnis? Meine Fresse…auch wenn man das starke Original nicht gesehen hat, ein Film den man meiden sollte.
Dass mit Jeff Buhler (FRIEDHOF DER KUSCHELTIERE) einer der Blum-Hof-Autoren mitpfuschen durfte, machte die Sache nicht besser. Übrigens kanns auch Buhler besser, wenn er ohne Blum arbeitet, wie sein erstes Drehbuch zu MIDNIGHT MEAT TRAIN zeigte.
Keith Thomas
Thomas Erstling THE VIGIL wurde bereits von Jason Blum produziert und das ist teilweise auch zu bemerken. Trotzdem schien es, als habe Blum seinem Regisseur (der hier auch das Buch schrieb) weitestgehend freie Hand gelassen. Beim Nachfolger FIRESTARTER wurde ihm ein Autor an die Seite gestellt, der nicht weiß was er tut.
Das Ergebnis? Mau…auch wenn man berücksichtigt, dass FEUERKIND nicht Stephen Kings stärkster Roman ist, wäre hier wohl mehr drin gewesen, als ein seelenloser Cashgrab.
Um es noch zu betonen: all diese Menschen müssen Rechnungen bezahlen und die meisten „normalen“ Menschen gehen auch jede Woche 35-40 oder mehr Stunden einer Tätigkeit nach, die sie nicht zu 100% erfüllt. Trotzdem gibt es Filme für die Ewigkeit und Filme, die man entweder vergisst oder nur noch als mahnendes Beispiel im Kopf behält. Sollte sich irgendwer positiv an die neuen FIRESTARTER oder MARTYRS erinnern, möge er bitte unsere Seite aus dem Browser löschen.
Wir wissen nicht, was die Regisseure als nächstes gemacht hätten, ob sie überhaupt weitergemacht hätten oder ob sie eines Tages mit finanzieller Unabhängigkeit in der Tasche noch mal ein kleines Herzensprojekt angehen.
Aber als Filmfan fühlt es sich momentan an wie vergebene Chancen. Oder anders ausgedrückt: so wie wenn man dein gemütliches Lieblingsrestaurant mit dieser individuellen Leckerei abgerissen und den 5000sten McDonalds dahin gebaut hätte.
Nutzt aber die Gelegenheit und schaut euch mal die Frühwerke der Regisseure an.
Nehmt das jetzt bitte nicht persönlich, aber das klingt sehr einseitig mit diesem Artikel: nämlich so als wenn Blumhouse das einzige an Horror liefern würde das es gibt. Hier muss ich teilweise Wieder sprechen. Es stimmt, im Bereich der Grusel: Buh ich erschrecke dich Filchen,sind die ganz vorne dabei. Aber dieser Bereich ist seit längerem am schwächeln und nach dem üblichen 10 Jahres Rhythmus sehen wir schlicht und ergreifend das dieser Bereich einfach abgelöst wird und alleine Produktionen wie Terrifier 2 oder SawX das der Umschwung einfach stattfindet. Und zwar mehr und mehr Richtung viel Blut und dieses kann (so traurig das auch ist) Handgemacht besser dargestellt und günstiger Produziert werden als neumodische CGI.
Also anstatt den Massenmarkt verteufeln, sollte man sich einfach eher die Mühe machen und sich die Perlen raus picken👍
Es geht hier (wie mehrfach erwähnt) nicht alleine um Blumhouse. Auch nicht um das Verteufeln von Gruselfilmen.
Wir haben Specials sowohl zu guten Blumhousefilmen, als auch guten Gruselfilmen gemacht, aber dieser greift eben ein anderes Thema auf.
Die Perlen picken wir hier sogar ganz bewusst raus und empfehlen namentlich die Frühwerke der Regisseure.
Aber: Saw X IST der Massenmarkt