Zum ersten Mal seit es uns gibt, blicken wir nicht nur auf das vergangene Jahr zurück, sondern das gesamte Jahrzehnt.
Was hat die 2010er Jahre ausgemacht? Welche Entwicklungen nahm der Horror in diesem Zeitraum?
Welche Filme, Serien etc. prägten die letzten 10 Jahre?
Die erfolgreichen Filme
Oft totgesagt, aber immer noch vorhanden: Kinos.
Es gibt sie nicht nur, die ES-Neuadaption wurde sogar zum kommerziell erfolgreichsten Horrorfilm aller Zeiten (alleine in Deutschland über 3 Millionen Zuschauer für Teil 1) und das CONJURING-Universum, das schon jetzt sieben Filme umfasst und kein Ende absehen lässt, spielt bisher fast 2 Milliarden $ weltweit ein (bei einem Gesamtbudget unter 150 Millionen). Erfolgreich liefen auch verschiedene PARANORMAL ACTIVITY – Sequels, nahezu jedes Remake (dazu unten mehr) und die 2018er-Version von HALLOWEEN.
Ein Begriff, der zumindest in Deutschland erst in diesem Jahrzehnt Bedeutung erlangte, war der Jumpscare und auch wenn Schocks seit jeher zum Horrorfilm zählen, wurden diese Erschrecker wie in keinem Jahrzehnt eingesetzt und sorgen regelmäßig für volle Geldbeutel bei den Produzenten.
Dass man es auch anders machen kann, zeigt das nächste Kapitel.
A SERBIAN FILM
A SERBIAN FILM ist in gewisser Hinsicht ein Ausläufer der 00er Jahre, die deutlich brutaler zu Werke gingen, als die 10er Jahre.
Die New French Extremity (mit knallharten Werken wie IRREVERSIBLE, MARTYRS, INSIDE), die von SAW/HOSTEL losgetretene Folterwelle, aber auch derber Stoff aus Großbritannien (EDEN LAKE, 28 TAGE SPÄTER) oder Fernost (MACABRE, GROTESQUE) schwappte noch ins neue Jahrzehnt über und auch wenn es natürlich weiterhin grenzwertige Filme gibt, schien „der Serbe“ alle bemühten Versuche noch einen draufzusetzen (ja, Tom Six, du bist gemeint) in den Schatten zu stellen.
Eins ist aber klar, kein anderer Streifen sorgte für hitzigere Diskussionen.
In Foren wurde man schon mal als Pädophiler beschimpft, nur weil man den Film sah. In Facebook-Gruppen wurde teilweise die alleinige Erwähnung verboten. Menschen klangen teilweise wie ihre eigenen Großeltern, nicht wie jemand, der versteht, dass Gewalt in Filmen selten real ist.
Sicher kann man auch 2020 noch Menschen fragen, wie sie zu A SERBIAN FILM stehen und damit rechnen, wüst beschimpft zu werden.
Remakes/Reboots/Sequels/Prequels/Semakes
Das Schöne an A SERBIAN FILM ist, dass er -egal wie man zu ihm steht- zumindest kein Abklatsch ist.
Damit reiht er sich in eine kurze Liste von Filmen, denen (bisher) das Schicksal einer Neuverfilmung oder eines Remakes erspart bleiben.
Natürlich gab es all das auch schon vor 2010 und die bekannten Remakes von MANIAC und EVIL DEAD liefern ein zeitgemäßes Update, über FRIEDHOF DER KUSCHELTIERE, CHILD’S PLAY und CARRIE streiten sich die Geister, die Remakes von POLTERGEIST und A NIGHTMARE ON ELM STREET fanden hingegen wenige Fans.
Mehr noch, die Welle an Aufgewärmten zeigt wie wenig wagemutig vor allem die großen Studios wurden.
Ein kleiner Trend, der tatsächlich erst in den letzten Jahren aufkam, wurde von uns schon einmal durchleuchtet. Die sogenannten Semakes sind eine Mischung aus Remake und Sequel.
So knüpft beispielsweise
Das Jahrzehnt, als aus Arthouse-Horror eine Sache wurde
Dass Arthouse zu Mainstream wird, ist eigentlich paradox und man sollte hier auch die Kirche im Dorf lassen, denn ein BABADOOK kommt in kommerzieller Sicht an CONJURING nicht vorbei und auch HEREDITARY ist an den Kassen hinter HALLOWEEN 11 zurückgeblieben.
Und trotzdem ist eine Gegenbewegung zu der x-ten Fortsetzung, einfallslosen Reboots und platten Teenie-Filmen zu erkennen.
BABADOOK, HEREDITARY, THE NEON DEMON, BLACK SWAN, ONLY LOVERS LEFT ALIVE, UNDER THE SKIN, SUSPIRIA (Remake), THE EYES OF MY MOTHER, BERBERIAN SOUND STUDIO, DER TOD WEINT ROTE TRÄNEN, THE WITCH, IT FOLLOWS, BORGMAN, MIDSOMMAR oder RAW sind nur einige derer, die man trotz ihrer Slow Burn – / Arthouse – Attitüde Erfolge feierten und das nicht nur bei intellektuellen Kunstkritikern.
Das Jahrzehnt, als aus Trash Kult wurde
Es ist nicht so, dass es nicht schon früher Trash gegeben hätte. Wer das denkt, hat manchen Schwarzweißfilm verpasst.
Auch die Troma-Schmiede gibt es bereits seit 1974.
In den 2010er Jahren ist aber die Zeit gekommen, dass fast jede Idee schon mal da war und gleichzeitig immer mehr Filme gedreht werden.
Eine toxische Mischung, zu der auch noch immer billigere CGI-Effekte stoßen, die armen und leider auch untalentierten Filmemachern Tür und Tor zum Wahnsinn öffnen.
Man kann darüber diskutieren, ob die SHARKNADO-Macher von Anfang an wussten, welchen Unfug sie verzapften, aber spätestens mit den Folgefilmen war klar, dass man ganz gezielt Dilettantismus platzierte, dafür aber viele Querverweise zu anderen Werken setzte und viele kleinere und größere Stars für Gastauftritte gewinnen konnte.
Dazu zählen auch Oliver Kalkofe und Peter Rütten, die dem Trash mit ihrem freitaglichen SchleFaZ seit 2013 huldigen. Dort laufen zwar auch Nicht-Horrorfilme älteren Datums, MEGA PYTHON VS. GATOROID, SNOW SHARKS, ARACHNOQUAKE und ABRAHAM LINCOLN VS. ZOMBIES sprechen eine deutliche Sprache.
Das Jahrzehnt, als die Welt zusammenwuchs
Globalisierung muss nicht immer eine gute Sache sein, aber während es auch ein Zeichen der 10er Jahre ist, dass viele Staaten eine nationalistischere Haltung einnehmen, ist es schön zu sehen, dass zumindest die Kunst aus immer mehr Himmelsrichtungen kommt.
Wir haben Reviews aus insgesamt 45 Ländern auf Thrill & Kill und während Länder wie Frankreich und Großbritannien quantitativ und qualitativ einen kleinen Schritt zurück machten (worüber man sicher streiten kann), finden sich vermehrt Länder wie Mexiko, Indonesien, Irland, Schweden, Russland und Spanien wieder.
THE WALKING DEAD
Es war kurz nach Halloween 2010 als eine neue Zombieserie startete, die uns fast alle verzaubern sollte. Basierend auf den Comics von Robert Kirkman und umgesetzt vom grandiosen Geschichtenerzähler Frank Darabont (THE GREEN MILE, DIE VERURTEILTEN) zog die erste Staffel Millionen auf beiden Seiten des Atlantik in ihren Bann.
Jeder wollte sehen, wie es mit Rick, Daryl, Glenn und Co. weitergeht und wir saßen an den TV-Geräten und hofften, dass sie auch die kommende Episode überleben.
Nun, die Serie läuft bekanntermaßen noch immer und während Zuschauererfolg nicht viel über Qualität aussagt, muss man doch festhalten, dass 5 Millionen Zuschauer pro Episode (und das alleine in den USA) zwar immer noch viel klingt, gemessen an den 3x so hohen Quoten, die man mit der 4. und 5. Staffel einfahren konnte, ist das aber dürftig.
Es ist müßig nach Gründen zu suchen, aber Darabonts Weggang im Streit und eine gewisse „Zähigkeit“ (Negans Monologe sind so spannend wie ein Versicherungsseminar) dürften ihren Teil beigetragen haben.
Trotzdem prägte THE WALKING DEAD die TV Landschaft der 10er Jahre mit und zählt neben GAME OF THRONES zu den großen Serienerfolgen.
Nicht unerwähnt bleiben soll in dem Kontext auch
Netflix & Co. vs. Videotheken vs. illegales Streaming
Überhaupt war das Jahrzehnt voller Serien und der Begriff des „Binge watching“ wurde erfunden.
Ein Grund dafür war Netflix, die etabliertes Pay TV wie Sky auf den Kopf stellten und dem Zuschauer erlaubten, Serien und Filme dann zu sehen, wenn sie es wollen, nicht wann der Programmplaner es vorgibt.
Im Horrorfilm-Sektor lässt die Qualität und Quantität der Netflix-Eigenproduktionen oft noch Wünsche offen, es lässt sich aber nicht wegdiskutieren, dass Netflix, Amazon Prime, Maxdome und andere Streamanbieter die Fernsehwelt veränderten und sich Fans in Massen auf neue Serien und Filme stürzen, wie das bei „normalen“ DVD-Veröffentlichungen selten geworden ist.
Leider waren die letzten Jahre aber auch von negativen Beiwerk geschmückt. Illegale Streamingportale sind dank schneller Internetverbindungen für viele eine Option und schaden damit gerade kleineren Produktionen, wie man sie sehr oft im Horrorbereich findet.
Leidtragende des Streamings (ob nun legal oder illegal) waren auch die Videotheken. Gab es 2008 noch über 2900 davon, fiel die Zahl innerhalb von 10 Jahren auf unter 440 deutschlandweit.
Die Vermarktung des Horrors
Geld lässt sich mit Horrorfilmen und dem „Drumherum“ natürlich auch anderenorts verdienen. Nicht nur Merchandise und Fanartikel sind heute weiter verbreitet, auch Filmbörsen und Conventions bzw. eine Mischung daraus finden sich heute deutlich öfters als noch vor ein paar Jahren.
Zwischenzeitlich führte das dazu, dass gleich 3 unterschiedliche Anbieter unter dem Namen „Comic Con“ die Tore öffneten und sich im Horrorbereich Events wie „Weekend of Horrors“, „Weekend of Hell“ und „House of Horrors“ das Leben gegenseitig schwer machten, indem teilweise in Spuckdistanz entfernt zwei Veranstaltungen zeitgleich stattfanden. Davon hatten die Fans nichts und dass sich die Veranstalter entweder gegenseitig ruinierten oder z.B. auch mal androhten das Privathaus des anderen abzufackeln, hellt die Stimmung nicht auf.
Immerhin, inzwischen scheinen die Wogen etwas geglättet und manch einer hat sich ruhig aus dem Business zurückgezogen oder backt kleinere Brötchen.
Die FSK wird altersmilde
Über die FSK, BPjM und andere Jugendschützer wird gerne gejammert und gelästert und manchmal hat man wirklich den Eindruck, dass Alterseinstufungen gewürfelt wurden, statt auf einer klaren Linie zu folgen.
Ein Trend kristallisiert sich aber heraus: Filme, die vor Jahren deutlich höher eingestuft wurden, kommen heutzutage mit milden, fast familiengerechten Einstufungen, davon.
Nennenswerte „Opfer“ dieser Neueinstufungen sind die ehemals beschlagnahmten Filme TANZ DER TEUFEL (nun ab 16 freigebeben) und TEXAS CHAIN SAW MASSACRE (nun ab 18).
Auch diverse Filme der FREITAG, DER 13. – Reihe wurden herabgestuft.
Andere Werke, die vor 20 Jahren sicher mit dem blauen „ab 16“-Button versehen worden wären, sind stattdessen von vorn herein „ab 12“.
HAPPY DEATH DAY, THE VISIT, THE SHALLOWS oder DIE FRAU IN SCHWARZ 2 sind daher inzwischen auch Sechstklässlern legal zugängig. Mehr zu dem Thema in unserem Special.
Social Media
Social Media ist nicht nur für uns wichtiger geworden (schönen Gruß an unsere Facebook-Follower), inzwischen macht man darüber auch Weltpolitik und es ist nur logisch, dass im letzten Jahrzehnt diverse Filme erschienen, die sich dem Thema mehr oder weniger direkt annahmen.
Die UNKNOWN USER – Filme spielen sich komplett am Rechner ab, in MEGAN IS MISSING oder A PERFECT CHILD OF SATAN geht es um die Gefahren von Online Dates, aber auch OPEN WINDOWS, SMILEY, UNFRIEND und BEDEVILED begeben sich ins Internet und stehen damit in der Tradition von älteren Filmen, die ihrerseits vor den (damals) modernen Medien warnten.